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Jobchancen für Pflegehelfende in der Schweiz in den nächsten 10 Jahren

Geschrieben von Sebastian Bobka | Jul 25, 2024 3:43:05 PM

Aktueller Stand der Pflegeberufe in der Schweiz

Demografische Daten

Die Pflegeberufe in der Schweiz stehen vor einer herausfordernden demografischen Situation. Die Bevölkerung altert, was zu einem erhöhten Bedarf an Pflegekräften führt. Es gibt derzeit rund 120.000 Pflegefachpersonen in der Schweiz, wobei ein erheblicher Anteil davon aus dem Ausland rekrutiert wird. Besonders besorgniserregend ist der Mangel an Nachwuchs: Viele Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt, und die Altersstruktur zeigt, dass viele Pflegekräfte in naher Zukunft in den Ruhestand gehen werden.

Berufliche Anforderungen und Qualifikationen

Um als Pflegehelferin oder Pflegehelfer in der Schweiz arbeiten zu können, ist in der Regel eine anerkannte Ausbildung erforderlich, wie zum Beispiel der beliebte Lehrgang Pflegehilfe ASB. Zusätzlich sind Sprachkenntnisse auf mindestens B1-Niveau in einer der Landessprachen notwendig. Weiterbildungsmöglichkeiten sind vielfältig und reichen von Spezialisierungen in Bereichen wie Geriatrie oder Palliativpflege.

Arbeitsmarktanalyse

Der Arbeitsmarkt für Pflegeberufe in der Schweiz ist derzeit sehr angespannt. Es gibt einen akuten Fachkräftemangel, der durch die COVID-19-Pandemie weiter verschärft wurde. Schätzungen zufolge werden bis 2029 etwa 14.000 zusätzliche Pflegekräfte benötigt, um den steigenden Bedarf zu decken. Die Nachfrage nach qualifizierten Pflegekräften übersteigt das Angebot bei weitem, was zu einer starken Konkurrenz um Fachkräfte führt. Viele Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen sind daher auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen, um die Versorgung sicherzustellen. 

Trends in den nächsten 10 Jahren

Neue Arbeitsmodelle

Die Einführung neuer Arbeitsmodelle wird entscheidend sein, um die Attraktivität des Pflegeberufs zu erhöhen und den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Flexible Arbeitszeiten, Teilzeitmodelle und Telearbeit sind Ansätze, die bereits in vielen Branchen erfolgreich umgesetzt wurden und nun auch im Pflegebereich Einzug halten könnten. Diese Modelle können dazu beitragen, die Work-Life-Balance der Pflegekräfte zu verbessern und somit die Berufszufriedenheit zu steigern. Besonders Telearbeit könnte im administrativen Bereich der Pflege sowie in der telemedizinischen Betreuung von Patient:innen eine Rolle spielen, obwohl die direkte Pflegearbeit physische Anwesenheit erfordert​​.

Veränderungen im Bildungssystem

Das Bildungssystem muss sich an die zukünftigen Anforderungen anpassen, um eine ausreichende Anzahl qualifizierter Pflegekräfte auszubilden. Dies beinhaltet die Modernisierung der Ausbildungscurricula und die Integration neuer Technologien und Pflegemethoden. Zudem wird die Förderung von Weiterbildungsprogrammen und Spezialisierungen immer wichtiger, um den Pflegehelfenden Karriereentwicklungsmöglichkeiten zu bieten und ihre Kompetenzen stetig zu erweitern. Der Fokus auf interdisziplinäre Ausbildung und die Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen wird ebenfalls zunehmen, um eine ganzheitliche Patientenversorgung zu gewährleisten​​.

Berufliche Weiterentwicklung und Spezialisierungsmöglichkeiten

Weiterbildung und Karrierechancen

Pflegehelfende in der Schweiz haben zahlreiche Möglichkeiten zur beruflichen Weiterentwicklung, die sowohl finanzielle als auch persönliche Vorteile bieten. Ein wichtiger Aspekt der beruflichen Entwicklung ist die Möglichkeit, zusätzliche Qualifikationen zu erwerben und in höhere Positionen aufzusteigen.

Für Pflegehelfende, die bereits in ihrem Beruf arbeiten, bieten viele Arbeitgeber Weiterbildungsprogramme an, die speziell darauf abzielen, das Wissen und die Fähigkeiten der Mitarbeiter zu erweitern. Diese Programme umfassen häufig Fortbildungen in spezialisierter Pflege, Managementkurse und andere Schulungen, die die berufliche Entwicklung fördern.

Spezialisierungsmöglichkeiten

Eine weitere Möglichkeit der beruflichen Weiterentwicklung besteht in der Spezialisierung auf bestimmte Pflegesektoren. Pflegehelfende können sich in Bereichen wie Geriatrie, Palliativpflege, Intensivpflege oder Onkologie spezialisieren. Diese Spezialisierungen erfordern oft zusätzliche Schulungen und Zertifikate, bieten aber auch die Möglichkeit, in besonders gefragten und oft besser bezahlten Positionen zu arbeiten.

Besonders die Spezialisierung in der Geriatrie und Palliativpflege ist in der Schweiz von grosser Bedeutung, da die alternde Bevölkerung einen steigenden Bedarf an spezialisierten Pflegekräften in diesen Bereichen mit sich bringt. Durch die Spezialisierung können Pflegehelfende nicht nur ihre Karrierechancen verbessern, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsversorgung der älteren Bevölkerung leisten​.

Bedeutung von Soft Skills

Neben fachlichen Qualifikationen spielen auch Soft Skills eine entscheidende Rolle in der Pflege. Fähigkeiten wie Kommunikation, Empathie, Teamarbeit und Konfliktlösung sind unerlässlich für den Umgang mit Patient:innen und Kolleg:innen. Pflegehelfende, die diese Soft Skills beherrschen, sind oft besser in der Lage, auf die Bedürfnisse der Patient:innen einzugehen und eine hohe Pflegequalität sicherzustellen.

Kommunikation ist beispielsweise entscheidend, um die Bedürfnisse der Patient:innen zu verstehen und ihnen die notwendige Unterstützung zu bieten. Empathie hilft den Pflegekräften, sich in die Lage der Patient:innen zu versetzen und ihnen mit Mitgefühl und Verständnis zu begegnen. Teamarbeit und Konfliktlösung sind wichtig, um effektiv mit anderen Pflegekräften und dem medizinischen Personal zusammenzuarbeiten und eine reibungslose Pflege zu gewährleisten​.

Herausforderungen und Lösungsansätze

Personalmangel

Der Fachkräftemangel im Pflegebereich ist ein zentrales Problem in der Schweiz und weltweit. Hauptursachen hierfür sind die alternde Bevölkerung, die steigende Nachfrage nach Pflegeleistungen und die hohe Fluktuation im Pflegepersonal aufgrund von Arbeitsbedingungen und Burnout. Studien zeigen, dass bis 2030 weltweit ein Mangel von bis zu 13 Millionen Pflegekräften droht​​.

Massnahmen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels umfassen:

  1. Erhöhung der Ausbildungskapazitäten: Es ist notwendig, mehr Ausbildungsplätze für Pflegeberufe zu schaffen und die Attraktivität dieser Ausbildung zu erhöhen. Dies beinhaltet auch finanzielle Anreize und Stipendien für Studierende im Pflegebereich.
  2. Internationale Rekrutierung: Obwohl umstritten, bleibt die Rekrutierung von Pflegekräften aus dem Ausland eine kurzfristige Lösung. Es ist wichtig, dass diese Praxis ethisch und nachhaltig gestaltet wird, um die Gesundheitssysteme in den Herkunftsländern nicht zu destabilisieren.
  3. Verbesserung der Arbeitsbedingungen: Durch bessere Arbeitsbedingungen und Unterstützung am Arbeitsplatz kann die Fluktuation reduziert werden. Beispiele hierfür sind flexible Arbeitszeiten, Unterstützung bei der Kinderbetreuung und Massnahmen zur Stressbewältigung.

Attraktivität des Berufsbildes

Die Attraktivität des Pflegeberufs zu steigern, ist entscheidend, um mehr Menschen für diesen Beruf zu gewinnen und zu halten. Dazu gehören:

  • Berufliche Anerkennung: Durch Kampagnen und Öffentlichkeitsarbeit kann das Ansehen des Pflegeberufs in der Gesellschaft gesteigert werden. Dies kann durch die Hervorhebung der wichtigen Rolle, die Pflegekräfte in der Gesundheitsversorgung spielen, und durch die Würdigung ihrer Arbeit in den Medien erreicht werden.
  • Mentoring-Programme: Die Einführung von Mentoring- und Coaching-Programmen kann neuen Pflegekräften helfen, sich schneller im Beruf zurechtzufinden und erfahrenen Pflegekräften die Möglichkeit geben, ihr Wissen weiterzugeben und ihre Führungskompetenzen zu entwickeln.
  • Internationale Austauschprogramme: Austauschprogramme mit Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen in anderen Ländern können Pflegekräften wertvolle Erfahrungen und Einblicke in unterschiedliche Pflegesysteme bieten. Dies fördert nicht nur die berufliche Entwicklung, sondern stärkt auch das Netzwerk und die interkulturellen Kompetenzen der Pflegekräfte​.

 

Best Practices und Erfolgsbeispiele

Erfolgreiche Modelle aus der Praxis

In der Schweiz gibt es zahlreiche erfolgreiche Modelle im Pflegebereich, die als Vorbilder für andere Länder dienen können. Diese Modelle fördern die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Gesundheitsdienstleistern, um eine ganzheitliche und kontinuierliche Betreuung der Patient:innen zu gewährleisten. Ein Beispiel hierfür ist das Modell der integrierten Versorgung im Kanton Waadt, wo Hausärzt:innen, Spezialist:innen und Pflegekräfte eng zusammenarbeiten, um die Pflegequalität zu verbessern und die Patientenzufriedenheit zu erhöhen.

Ein weiteres erfolgreiches Modell ist das Konzept der „Pflegefamilien“ im Kanton Zürich. Hierbei werden ältere Menschen, die nicht mehr alleine leben können, in Familien aufgenommen, die für ihre Betreuung sorgen. Dieses Modell hat sich als äusserst erfolgreich erwiesen, da es nicht nur die Lebensqualität der älteren Menschen verbessert, sondern auch die Pflegekräfte entlastet und die Kosten für stationäre Pflege reduziert.

Innovative Ansätze in der Pflege

Ein innovativer Ansatz zur Verbesserung der Pflegequalität und der Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) und digitalen Technologien. In verschiedenen Schweizer Krankenhäusern werden bereits KI-basierte Systeme eingesetzt, um administrative Aufgaben zu automatisieren und Pflegekräfte zu entlasten. Beispielsweise können KI-Systeme dabei helfen, Patientendaten effizient zu verwalten, Pflegepläne zu erstellen und Ressourcen optimal zu verteilen. Dies ermöglicht den Pflegekräften, mehr Zeit für die direkte Patientenbetreuung zu haben und reduziert die administrative Belastung erheblich.

Ein weiteres Beispiel ist die Einführung von Telemedizin-Diensten, die insbesondere in ländlichen Gebieten die medizinische Versorgung verbessern. Durch den Einsatz von Telemedizin können Patient:innen von zu Hause aus mit Pflegekräften und Ärzt:innen kommunizieren, was nicht nur die Pflegeeffizienz steigert, sondern auch die Zugänglichkeit zu medizinischen Diensten verbessert.

Zukunftsperspektiven: KI in der Pflege

Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, die Pflegebranche grundlegend zu transformieren. In Zukunft könnten KI-gestützte Roboter einfache pflegerische Aufgaben übernehmen, wie das Überwachen von Vitalwerten oder die Unterstützung bei der Mobilität der Patient:innen. Diese Roboter könnten rund um die Uhr im Einsatz sein und so die Pflegekräfte entlasten. Ein weiteres vielversprechendes Einsatzgebiet ist die Vorhersage und Prävention von Gesundheitsproblemen. Durch die Analyse grosser Datenmengen können KI-Systeme Risiken frühzeitig erkennen und proaktive Massnahmen vorschlagen, um gesundheitliche Komplikationen zu vermeiden.

Zudem könnte die KI-basierte Entscheidungsunterstützung Pflegekräften helfen, klinische Entscheidungen schneller und genauer zu treffen. Dies wäre besonders in kritischen Situationen von Vorteil, in denen schnelle und präzise Entscheidungen lebensrettend sein können.

Internationale Erfolgsbeispiele

Auch international gibt es zahlreiche Erfolgsbeispiele, die als Vorbilder dienen können. In den USA beispielsweise hat das Orlando VA Medical Center spezielle „Well-Being Centers“ eingerichtet, die Pflegekräften einen Raum zur Erholung und Stressbewältigung bieten. Diese Zentren sind mit Annehmlichkeiten wie Virtual-Reality-Headsets, Aromatherapie und Entspannungsmusik ausgestattet und haben zu einer signifikanten Reduktion von Burnout und einer erhöhten Arbeitszufriedenheit beigetragen.

In Grossbritannien haben verschiedene NHS Trusts digitale Tools eingeführt, um die Anerkennung und Wertschätzung der Pflegekräfte zu verbessern. Beispielsweise nutzt das Orange Coast Medical Center eine Technologieplattform, um Pflegekräften gezielt Feedback und Anerkennung zukommen zu lassen, was die Mitarbeiterbindung und -motivation deutlich erhöht hat.

Fazit

Die Nachfrage nach qualifizierten Pflegekräften wird weiter steigen, was die Jobchancen für Pflegehelfende in den nächsten 10 Jahren erheblich verbessert. Durch den demografischen Wandel und die zunehmende Alterung der Bevölkerung wird der Bedarf an Pflegeleistungen kontinuierlich wachsen. Moderne Technologien wie KI und neue Arbeitszeitmodelle müssen jedoch den Beruf unbedingt attraktiver machen, damit sich genügend Leute auf die freien Stellen bewerben und dadurch der Bedarf gedeckelt werden kann.

Quellen: