Blog

Künstliche Intelligenz in der Pflege

Geschrieben von Sebastian Bobka | Aug 20, 2024 8:14:22 AM

Die Künstliche Intelligenz (KI) hat in den letzten Jahren in vielen Branchen an Bedeutung gewonnen und revolutioniert zunehmend verschiedene Bereiche, von der Automobilindustrie bis hin zur Finanzwelt. Dabei beschränkt sich der Einsatz von KI nicht nur auf technische oder wirtschaftliche Sektoren, auch im Gesundheitswesen, insbesondere in der Pflege, zeigt sich ihr enormes Potenzial.

In der Pflege kann KI eine Vielzahl von Aufgaben übernehmen, von der Unterstützung des Pflegepersonals bei Routineaufgaben bis hin zur Verbesserung der Diagnostik und Behandlung von Patient:innen. Diese Technologie bietet die Möglichkeit, die Effizienz und Qualität der Pflege deutlich zu steigern.

In der Schweiz ist die Relevanz von KI in der Pflege besonders hoch, da das Land vor erheblichen demografischen Herausforderungen steht. Die Schweizer Bevölkerung altert rapide, was zu einem stetig wachsenden Bedarf an Pflegepersonal führt.

Gleichzeitig gibt es bereits jetzt einen Mangel an qualifizierten Pflegekräften, was das System zunehmend unter Druck setzt. Vor diesem Hintergrund könnte der Einsatz von KI eine wertvolle Unterstützung bieten, um die Lücke zwischen der steigenden Nachfrage und dem begrenzten Angebot an Pflegepersonal zu schliessen.

Das Ziel dieses Beitrags ist es, einen umfassenden Überblick darüber zu geben, wie KI die Pflege in der Schweiz transformieren könnte. Dabei werden sowohl die Chancen als auch die Herausforderungen beleuchtet, die mit der Integration dieser Technologie in den Pflegebereich einhergehen.

Wir werden untersuchen, welche konkreten Anwendungen von KI bereits heute möglich sind, wie sich diese Entwicklungen auf das Pflegepersonal und die Patient:innen auswirken könnten und welche ethischen und rechtlichen Fragen dabei berücksichtigt werden müssen. Auf diese Weise soll ein fundierter Einblick in die Zukunft der Pflege in der Schweiz gegeben werden, der sowohl Entscheidungsträgern als auch Fachkräften im Gesundheitswesen als Orientierung dienen kann.

 

Die aktuelle Lage der Pflege in der Schweiz

Überblick über das Pflegesystem

Das Schweizer Pflegesystem ist geprägt durch ein föderales Gesundheitswesen, in dem die Verantwortung zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden aufgeteilt ist. Die Pflege selbst wird durch eine Vielzahl von Akteuren erbracht, darunter Spitäler, Pflegeheime, Spitex-Dienste (ambulante Pflege) und private Pflegekräfte. Die Finanzierung des Pflegesystems erfolgt durch eine Kombination aus Krankenversicherungen, staatlichen Beiträgen und privaten Zahlungen, was zu einer komplexen Struktur führt.

Die Pflege in der Schweiz steht vor mehreren Herausforderungen. Einerseits gibt es einen steigenden Bedarf an Pflegeleistungen aufgrund der alternden Bevölkerung. Andererseits kämpft das System mit einem Fachkräftemangel, der durch die anspruchsvollen Arbeitsbedingungen, den hohen Druck und die vergleichsweise niedrigen Löhne im Pflegebereich verschärft wird. Dies führt dazu, dass Pflegekräfte oft überlastet sind und das Pflegesystem insgesamt unter Druck steht, die steigenden Anforderungen zu bewältigen.

Demografische Herausforderungen

Die demografischen Entwicklungen in der Schweiz sind ein zentrales Thema für das Pflegesystem. Die Lebenserwartung in der Schweiz ist eine der höchsten weltweit, was dazu führt, dass der Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung stetig zunimmt. Gleichzeitig sinkt die Geburtenrate, was bedeutet, dass weniger junge Menschen nachrücken, um die freiwerdenden Stellen im Pflegebereich zu besetzen.

Dieser demografische Wandel hat weitreichende Konsequenzen. Der Bedarf an Pflegeleistungen wird in den kommenden Jahrzehnten weiter steigen, während die Zahl der verfügbaren Pflegekräfte voraussichtlich nicht im gleichen Mass zunehmen wird. Dies führt zu einer Versorgungslücke, die das Pflegesystem stark belasten könnte. Die Herausforderung besteht darin, Lösungen zu finden, die sowohl die Qualität der Pflege als auch die Effizienz des Systems aufrechterhalten.

Bedeutung der Digitalisierung in der Pflege

In den letzten Jahren hat die Digitalisierung in der Pflege an Bedeutung gewonnen, und auch in der Schweiz gibt es zunehmend Bestrebungen, technologische Lösungen in den Pflegealltag zu integrieren. Die Digitalisierung bietet viele Möglichkeiten, den Pflegeprozess effizienter zu gestalten und die Qualität der Betreuung zu verbessern.

Zu den aktuellen Bemühungen gehören unter anderem die Einführung elektronischer Gesundheitsakten, die eine bessere Koordination zwischen verschiedenen Pflegeeinrichtungen ermöglichen, sowie der Einsatz von Telemedizin, um die Gesundheitsversorgung auch in abgelegenen Regionen zu gewährleisten. Darüber hinaus gibt es Projekte, die sich mit der Entwicklung und Implementierung von KI-gesteuerten Systemen befassen, die Pflegekräfte unterstützen und entlasten sollen.

Die Rolle der Technologie in der Pflege ist jedoch bisher noch begrenzt. Obwohl es erste Erfolge gibt, stehen viele dieser digitalen Initiativen noch am Anfang. Die Umsetzung wird durch verschiedene Faktoren erschwert, darunter finanzielle Hürden, mangelnde Akzeptanz bei Pflegekräften und Patient:innen sowie Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes. Dennoch bleibt die Digitalisierung ein entscheidender Faktor für die zukünftige Entwicklung des Pflegesystems in der Schweiz, insbesondere im Hinblick auf die Bewältigung der demografischen Herausforderungen.

 

Beispiele und Fallstudien

Erfolgreiche Implementierungen weltweit

In vielen Ländern wurde die Künstliche Intelligenz (KI) bereits erfolgreich in der Pflege integriert, was wertvolle Erkenntnisse für die Schweiz bieten kann. Ein bemerkenswertes Beispiel ist Japan, wo der Einsatz von Robotern in der Altenpflege weit verbreitet ist. Der Roboter "Pepper" wird in Pflegeeinrichtungen eingesetzt, um mit Bewohnern zu interagieren, sie zu unterhalten und sogar einfache therapeutische Aufgaben zu übernehmen. Diese Implementierung hat gezeigt, dass KI-basierte Lösungen nicht nur die Arbeitslast der Pflegekräfte reduzieren, sondern auch das Wohlbefinden der Patient:innen steigern können .

Ein weiteres Beispiel kommt aus den USA, wo das Unternehmen "CarePredict" ein KI-basiertes System entwickelt hat, das das Verhalten von Senioren analysiert, um frühe Anzeichen von gesundheitlichen Problemen zu erkennen. Diese Technologie verwendet tragbare Sensoren und Machine-Learning-Algorithmen, um Abweichungen im täglichen Verhalten zu identifizieren, was es Pflegekräften ermöglicht, schneller auf potenzielle Gesundheitsprobleme zu reagieren. Diese Initiative hat zu einer signifikanten Reduktion von Notfalleinsätzen und Krankenhausaufenthalten geführt.

Diese Fallstudien zeigen, dass KI-basierte Technologien nicht nur die Effizienz und Qualität der Pflege verbessern können, sondern auch präventive Gesundheitsmassnahmen ermöglichen, die langfristig die Kosten senken und die Patientensicherheit erhöhen.

Pilotprojekte in Schweizer Pflegeheimen

In den letzten Jahren wurden in der Schweiz mehrere Pilotprojekte gestartet, um die Anwendung von KI in Pflegeheimen zu testen. Ein bemerkenswertes Beispiel ist das Projekt "Lio" im Kanton Zürich, bei dem humanoide Roboter eingesetzt werden, um Pflegekräfte bei körperlich belastenden Aufgaben zu unterstützen. Die ersten Ergebnisse dieser Pilotprojekte sind vielversprechend: Pflegekräfte berichten von einer deutlichen Entlastung, und die Patient:innen nehmen die Roboter positiv wahr.

Chancen und Vorteile der KI in der Pflege

Entlastung des Pflegepersonals

Einer der bedeutendsten Vorteile des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Pflege ist die potenzielle Entlastung des Pflegepersonals. Der Pflegeberuf ist oft körperlich und emotional anstrengend, was zu hoher Belastung und Burnout führen kann. KI kann hier eine unterstützende Rolle spielen, indem sie Routineaufgaben automatisiert und somit den Pflegekräften mehr Zeit für die direkte Betreuung der Patient:innen verschafft.

Beispielsweise können KI-gesteuerte Systeme administrative Aufgaben wie die Terminplanung, Dokumentation und Medikamentenverwaltung übernehmen. Dies reduziert nicht nur die Arbeitslast, sondern minimiert auch das Risiko menschlicher Fehler. Darüber hinaus können Roboter und andere KI-gesteuerte Geräte physische Unterstützung bieten, etwa beim Heben und Bewegen von Patient:innen, was das Risiko von Verletzungen bei Pflegekräften verringert.

Diese Entlastung könnte nicht nur zu einer besseren Arbeitszufriedenheit unter Pflegekräften führen, sondern auch zu einer niedrigeren Burnout-Rate, was wiederum die Fluktuation im Pflegepersonal senken kann. Dies ist besonders wichtig in einem Bereich, der bereits unter einem erheblichen Fachkräftemangel leidet.

Verbesserte Pflegequalität

Die Integration von KI in die Pflege kann die Qualität der Betreuung erheblich verbessern. KI-Technologien können präzisere Diagnosen stellen und dadurch individuellere und effektivere Pflegepläne erstellen. Zum Beispiel können KI-basierte Systeme Daten aus verschiedenen Quellen analysieren – von Patientenakten bis hin zu Echtzeitüberwachungsdaten – um komplexe Zusammenhänge zu erkennen und frühzeitig auf gesundheitliche Veränderungen zu reagieren.

Ein weiteres Beispiel ist der Einsatz von KI in der personalisierten Pflege. Anhand der Analyse von Verhaltensmustern und Präferenzen kann KI dazu beitragen, Pflegepläne zu erstellen, die besser auf die individuellen Bedürfnisse der Patient:innen abgestimmt sind. Dies führt zu einer höheren Patientenzufriedenheit und einer insgesamt besseren Pflegequalität.

Darüber hinaus ermöglicht KI den Einsatz von Telemedizin und Fernüberwachung, was insbesondere in ländlichen oder schwer zugänglichen Regionen von Vorteil ist. So können auch Patient:innen, die nicht regelmässig eine Pflegeeinrichtung besuchen können, qualitativ hochwertige Betreuung erhalten.

Kostenersparnis

Ein weiterer wesentlicher Vorteil von KI in der Pflege ist das Potenzial zur Kostenersparnis im Gesundheitswesen. Durch die Automatisierung von Routineaufgaben und die Verbesserung der Prozesseffizienz können erhebliche Kosten eingespart werden. KI-Systeme können dazu beitragen, den Verwaltungsaufwand zu reduzieren und gleichzeitig die Genauigkeit und Effizienz zu steigern. Dies bedeutet weniger Fehler, weniger unnötige Behandlungen und damit niedrigere Kosten.

Darüber hinaus kann die frühzeitige Erkennung von Gesundheitsproblemen durch KI-basiertes Monitoring dazu beitragen, teure Notfalleinsätze und Krankenhausaufenthalte zu vermeiden. Durch präventive Massnahmen und eine kontinuierliche Überwachung können Krankheiten in einem früheren Stadium erkannt und behandelt werden, was langfristig die Behandlungskosten senken kann.

Diese Effizienzgewinne kommen nicht nur den Pflegeeinrichtungen und dem Gesundheitssystem zugute, sondern auch den Patient:innen, die von niedrigeren Behandlungskosten und einer besseren Versorgung profitieren.

Förderung der Selbstständigkeit von Patient:innen

Ein oft übersehener, aber ebenso wichtiger Vorteil von KI in der Pflege ist die Förderung der Selbstständigkeit von Patient:innen, insbesondere von älteren Menschen. KI-gestützte Technologien, wie intelligente Sensoren und Assistenzsysteme, ermöglichen es älteren Menschen, länger in ihrer eigenen Umgebung zu bleiben und ihre Unabhängigkeit zu bewahren.

Zum Beispiel können KI-basierte Systeme Stürze und andere Gefahren in Echtzeit erkennen und sofortige Hilfe rufen, bevor ein ernsthaftes Problem entsteht. Solche Systeme geben den Patient:innen und ihren Familien Sicherheit, da sie wissen, dass Hilfe sofort verfügbar ist, falls etwas passiert.

Darüber hinaus können KI-gestützte Gesundheits-Apps und Wearables ältere Menschen dabei unterstützen, ihre Gesundheit selbstständig zu überwachen und ihre Medikamente korrekt einzunehmen. Dies fördert nicht nur die Selbstständigkeit, sondern trägt auch zu einer höheren Lebensqualität bei, indem es den Patient:innen ein Gefühl der Kontrolle über ihre eigene Gesundheit vermittelt.

Insgesamt bietet die KI in der Pflege eine Vielzahl von Chancen, die nicht nur das Pflegepersonal entlasten, sondern auch die Qualität der Pflege verbessern, Kosten senken und die Selbstständigkeit der Patient:innen fördern können. Diese Vorteile machen die Integration von KI in das Pflegesystem zu einer vielversprechenden Lösung für die Herausforderungen, mit denen die Schweiz und andere Länder konfrontiert sind.

 Fazit

Die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in die Pflege bietet ein enormes Potenzial, um einige der drängendsten Herausforderungen im Schweizer Pflegesystem anzugehen. Angesichts des demografischen Wandels und des zunehmenden Fachkräftemangels könnte KI eine Schlüsselrolle dabei spielen, das System zu entlasten, die Qualität der Pflege zu verbessern und gleichzeitig die Kosten im Gesundheitswesen zu senken.

Wir haben gesehen, dass KI auf vielfältige Weise eingesetzt werden kann: von der Unterstützung des Pflegepersonals durch die Automatisierung administrativer Aufgaben über die Verbesserung der Diagnostik und personalisierten Pflege bis hin zur Förderung der Selbstständigkeit von Patient:innen. Diese technologischen Fortschritte ermöglichen es, die Arbeitsbelastung der Pflegekräfte zu verringern, Burnout zu reduzieren und den Patient:innen eine individuellere und effektivere Betreuung zukommen zu lassen.

Erfolgreiche Beispiele aus anderen Ländern und laufende Schweizer Projekte zeigen, dass der Einsatz von KI in der Pflege nicht nur theoretisch möglich, sondern auch praktisch umsetzbar ist.

Abschliessend lässt sich sagen, dass die Schweiz vor einer entscheidenden Weichenstellung steht. Die Integration von KI in die Pflege ist nicht nur eine Möglichkeit, sondern könnte in Anbetracht der aktuellen demografischen und wirtschaftlichen Herausforderungen zu einer Notwendigkeit werden.

Es ist jedoch wichtig, diese Technologie mit Bedacht zu implementieren, wobei ethische Fragen, Datenschutzbedenken und die Akzeptanz bei Pflegekräften und Patient:innen sorgfältig berücksichtigt werden müssen.

Der Weg nach vorne erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Politik, Gesundheitswesen, Technologieunternehmen und der Gesellschaft insgesamt, um sicherzustellen, dass die Vorteile von KI in der Pflege voll ausgeschöpft werden können. Die Schweiz hat das Potenzial, eine Vorreiterrolle in diesem Bereich zu übernehmen, indem sie innovative Lösungen entwickelt und umsetzt, die sowohl die Lebensqualität der Patient:innen als auch die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte nachhaltig verbessern.

 

Quellen:

https://news.medill.northwestern.edu/chicago/japan-uses-robots-in-nursing-home-care-an-example-for-america/

https://www.carepredict.com/

https://www.societybyte.swiss/2022/04/29/wie-der-schweizer-assistenzroboter-lio-die-pflege-unterstuetzt/

https://up2date.uni-bremen.de/artikel/kuenstliche-intelligenz-in-der-pflege